Leben und Kampf von Andrea Wolf
Seiten 69-70
Golfkrieg und §129a-Verfahren


Am 18. August 1990 fand in Frankfurt eine Veranstaltung zu den zahlreichen §129a Verfahren wegen der „Börsenaktion“, gegen andere GenossInnen aus dem antiimperialistischen Widerstand und gegen die PKK und IRA statt.
Andrea hielt auf dieser Veranstaltung den Beitrag zur Geschichte und Bedeutung des 129a.

Auf der Veranstaltung sprach auch Hüseyin Çelebi, der selbst in dem „PKK-Prozeß“ angeklagt war. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung war er seit sechs Monaten aus dem Knast entlassen. Ein Teil der Prozeßgruppe führte eine längere Diskussion mit ihm, über die Situation vor dem Golfkrieg in Deutschland, aber auch über die damalige Situation in Kurdistan. Die PKK überlegte damals schon vor Beginn des Krieges daran, wie die Lage im Irak sich für die Menschen in Kurdistan verändern könnte. Unter anderem gab es die Bemühungen, einen Rat der verschiedenen kurdischen Organisationen zu bilden.
Noch heute sitzen zwei Gefangene, Ali Aktas und Hasan Hayri Güler wegen dieser Verfahren im Knast. Der Düsseldorfer Prozeß war der erste Versuch die PKK in der BRD zu illegalisieren, was dann erst 1993 mit dem sogenannten „PKK-Verbot“ umgesetzt wurde.


Hüseyin Çelebi auf der Veranstaltung der 129a Veranstaltung am 18. August 1990 in Frankfurt:

“Im Gegensatz zu dem, wo hier immer von „Gesamt-RAF“ und „Gesamtorganisation“ gesprochen wird, heißt es bei uns und das ist das Wichtige in unserem Konstrukt: die terroristische Organisation ist eine Teilorganisation der PKK. (...) Die PKK als ganze kann hier nach bisherigem Recht nicht als terroristische Vereinigung angeklagt werden, weil sie nachgewiesener Weise eine Auslandsorganisation ist. Aus diesem Grunde konstruieren sie eine selbständige Teilorganisation zu einer terroristischen Vereinigung und packen uns einzelne Angeklagte jetzt in diese Konstruktion herein.“

Hüseyin selbst sollte noch einmal in den Knast gebracht werden. Er war aber schon in Kurdistan, hatte sichder ARGK, der kurdischen Guerilla angeschlossen. 1992 ist Hüseyin Celebi im sogenannten „Südkrieg“ im irakischen Teil Kurdistans im Kampf gefallen.

Hüseyin hielt auf der Veranstaltung eine kurze Rede zum Golfkrieg:
Unsere klare Haltung ist, daß die Besetzung Kuwaits durch den Irak ein reaktionärer Krieg ist, sprich: wir sind dagegen, egal welche Begründungen dafür benutzt werden. Genauso sind wir gegen die imperialistische Okkupation dieses Gebietes. Wir sagen, daß die Besetzung Kuwaits durch das faschistische Saddam Regime von den Imperialisten als Vorwand benutzt wird, um das Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen und neu aufzuteilen. Konkret wird das daran, daß Kriegsvorbereitungen getroffen werden. Die Aufmerksamkeit der Welt wird zwar auf die Truppen in Saudi-Arabien gelenkt, aber an der türkisch-irakischen Grenze, sprich: mitten in Kurdistan, stehen auf beiden Seiten mehrere hunderttausend Soldaten. Irakische, wie türkische Soldaten auf beiden Seiten, also wirklich bewaffnet bis unter die Zähne. Die türkische Luftwaffe ist nach Diyarbakir und nach Batman verlegt worden. Dort sollen hunderte, wenn nicht gar tausende Flugzeuge inzwischen abflugbereit stehen. Türkische Flugzeuge fliegen provokativ über irakisches Gebiet, mit dem Ziel, daß der Irak die erste Kugel abschießt, um dann entsprechend anzugreifen. Schon heute ist die gesamte türkische Presse darauf eingestimmt. Die türkische Presse hat begonnen, Träume von der Zukunft des Irak, also wie das nach der Besetzung des Irak aussehen werde usw. zu machen. Die Türkei hat ganz klare Kriegsabsichten und dahinter steckt, daß sie die volle Unterstützung aller NATO Staaten - der USA, der BRD usw. - hat. Konkret noch dazu, daß dies alles in Kurdistan passiert, bringt es damit eine große Gefahr für uns - denn in diesem Zusammenhang mit dem Angriff auf den Irak wird geplant oder mit diesem Krieg der geplant wird, wird man sicherlich versuchen, auch die Befreiungsbewegung in Kurdistan nebenbei zu zerschlagen.

Aus diesem Grund erklären wir ganz deutlich, daß wir gegen diese Okkupation sind. Genauso aber warnen wir alle Kräfte im Nahen Osten, vor allen Dingen die fortschrittlichen Kräfte davor, irgendeine Seite in diesem Krieg zu unterstützen, denn beide Seiten sind reaktionär.

Aus diesem Grund rufen wir zum Aufstand gegen alle reaktionären Regime in diesem Gebiet und gegen die Besatzer auf. Wir haben Halabja noch nicht vergessen. Wir verurteilen die Kriegsvorbereitungen und konkret hat unsere Organisation für den Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung in diesem Gebiet zur totalen Verweigerung und zum totalen Aufstand aufgerufen. Sozusagen als Warnung wurde schon am 15. August in einer kurdischen Stadt die an dieser Grenze liegt ein Generalstreik für einen Tag ausgerufen. Alle Kräfte der nationalen Befreiungsfront sind entsprechend vorbereitet und es wird zum Aufstand kommen.

Genauso rufen wir auch die Kräfte in der Türkei auf, sich auf keinen Fall auf diese chauvinistische Propaganda einzulassen und sich klar gegen das Aufkommen dieser chauvinistischen Propaganda zur Wehr zu setzen und klar zu machen, daß mit uns dieser Krieg nicht geführt werden kann - und daß irgendwelche Positionen für die eine oder andere Seite auf jeden Fall falsch sind.

HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT

Das kann nicht stehen bleiben, ohne noch ein Dokument der eigenen politischen Haltung und der fehlenden Konsequenz mit anzufügen. Deutschlands Alpha-Jet-Staffeln an der türkisch-irakischen Grenze waren nicht nur ein symbolischer Akt der süd-östlichen NATO-Grenze, sondern auch der Versuch eine 2. Frontstellung gegen den Irak und den kurdischen Befreiungskampf in der Region zu eröffnen. Auch der spätere Einsatz der Minensuchboote und die dann laufenden Luftwaffeneinsätze in der Türkei, Irak und Iran unter humanitären Vorzeichen dienten nicht nur dem Abwurf von Lebensmitteln und Medikamenten. Die Tatsache des Einsatzes von deutschen Soldaten in den Krisengebieten der Welt, wurde nach 40jähriger Beschränkung durch die Nachkriegsordnung, als Normalität und Verpflichtung in den Köpfen der Menschen verankert.

Aus einer Stellungnahme: Die Prozeßgruppe und der Golfkrieg:

...die Kritik an der Linken in der BRD kann nur eine Selbstkritik sein. Eingerichtet und vollgepackt mit der „Prozeßarbeit“, - da überhaupt was gescheites hinzukriegen, -ist die Konsequenz auf der Strecke geblieben.


Das ExZess (selbstverwaltetes Zentrum) in Frankfurt zu Beginn des Golfkrieges

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machwerk, frankfurt (2000)